Endstation Krebs? – was mache ich wenn mein Hund oder meine Katze einen Tumor hat?

Erstmal ein Schock – und die meisten rechnen nicht mit so einer katastrophalen und oft auch fatalen Diagnose! Da kann man verstehen, dass viele Leute anfangen zu weinen, Panik bekommen oder auf Durchzug stellen, wenn wir Tierärzte sie mit einer solchen Vermutung konfrontieren.

Die Diagnose Krebs ist für viele Tierhalter mit schlechten Emotionen verbunden und oft auch gleichbedeutend mit dem Tod gestellt. Wenn man als Tierarzt eine Tumordiagnose stellt, sollte man sich darüber im Klaren sein, was das für Gefühle und Ängste auslöst.

Doch bedeutet ein Tumor auch gleichzeitig den Tod? Ist es unausweichlich, dass unser Liebling jetzt, da die Diagnose steht, bald sterben wird? Und sollten wir ihm oder ihr dann nicht unnötige Qualen ersparen und gleich den friedvollen Tod im geplanten Umfeld wählen?

Dieses Thema ist sicherlich sehr persönlich und es kann da gar keine pauschalen Antworten geben!

Doch lasst mich etwas Klarheit schaffen im Dschungel der Krebs-Mythen und Ängste. Denn die Wissenschaft hat sich weiterentwickelt und nicht jeder Tumor ist so gefährlich wie man es erst vermuten würde. Und andere sind dagegen so bösartig, dass man wirklich gleich über die Euthanasie nachdenken sollte. Und da ich Entscheidungen nicht über Gefühle treffe, sondern als Tierärztin der Wissenschaft vertraue, lasst mich euch erzählen, was die neusten Erkenntnisse zur Krebsbehandlung oder eben Nicht-Behandlung sind.

Viele von euch mögen jetzt vielleicht sagen: Chemotherapie! Das kommt für mich nicht infrage! Den Leuten sei gesagt, dass es ganz sicher nicht nur um Chemotherapien geht und ausserdem sei gesagt, dass genau dieser Satz vor 20 Jahren noch komplett üblich war nach Knochenbrüchen beim Tier. Da hieß es: Osteosynthese!! Das kommt für mich nicht infrage – und die armen Tiere wurden wegen einer Femurfraktur eingeschläfert! Unglaublich oder?? Aber genau diese Entwicklung: von unvorstellbar, bis zur Normalität, werden wir in den nächsten Jahren in der Tumortherapie live miterleben!!

Aber lasst uns von Anfang anfangen:

Euer Hund oder eure Katze hat vielleicht einen Knubbel, oder ein Röntgenbild oder der Ultraschall zeigt eine Masse, wo sonst keine sein sollte. Das ist erstmal die Definition eines Tumors! Ich sage extra Tumor und nicht Krebs – denn die beiden Sachverhalte sind grundverschieden. Wie oben erwähnt: ein Tumor ist erstmal nur eine Masse, wo sonst keine sein sollte (auch ein Mückenstich gilt streng genommen als Tumor).

Also was nun?

  1. Schritt: Es ist ALLES! möglich! Anhand eines Tastbefundes oder anhand des Aussehens, Geruchs oder Lage, lässt sich niemals!!! die Art des Tumors bestimmen! Was also tun? – wir brauchen eine Probe! Wir brauchen die Zellen, die sich in der Masse befinden, um zu sagen, ob wir hier Zellen haben, die bösartig sind, oder ob es sich (wie beim Mückenstich bspw) um Entzündungszellen handelt.

Optimalerweise hat man dafür ein großes Stück (je größer das Stück, desto sicherer die Diagnose) – hierfür kann man z.B. ein Stück herausschneiden – natürlich unter einer kontrollierten Sedierung- oder man sticht eine Nadel ein – dafür braucht es meist keine Sedierung – oder aber man nimmt einen Abklatsch, indem man einen Objektträger auf die Masse drückt.

Bei allen Methoden hofft man, dass genügend Zellen abgegeben wurden, um eine Diagnose zu stellen.

 

  1. Schritt: Im besten Fall steht nun die Diagnose. Und im allerbesten Fall handelt es sich lediglich um eine Entzündung oder um einen gutartigen Tumor.

In diesen beiden Fällen lässt sich die Ursache häufig beseitigen (entweder durch Entzündungshemmer oder durch die chirurgische Entfernung) – das ist klasse und sollte nur wenige Probleme bereiten. Ausnahmen sind natürlich sehr kranke Patienten, die ggfls. eine Narkose oder Medikamente nicht vertragen.

Achtung! Ich sage extra kranke Patienten und nicht alte, denn Alter ist keine Rechtfertigung eine Narkose oder Therapie nicht durchzuführen! Mit der richtigen Narkose können auch sehr alte Patienten sicher durch den Eingriff geführt werden!

Aber was, wenn der Tumor bösartig ist, oder wenn nicht sicher gesagt werden kann, was es war (z.B. weil das Material zu wenig war oder wenn ein bösartiger Tumor von einer Entzündung überlagert ist?)

 

  1. Schritt: Jetzt gilt es so viel wie möglich über den Tumor herauszufinden – das sogenannte Tumor-Staging: also: hat der Tumor gestreut? Sind Lunge und Bauchraum frei von weiteren Tumoren? Sind die Lymphknoten frei?

Und wo streut der besagte Tumor überhaupt hin??? Denn! Nicht jeder Tumor streut in die gleichen Organe! Und da Krebs nun mal ein Arschloch ist, hält er sich auch oft nicht daran, was im Lehrbuch steht.

Manche Tumore streuen erst in die Lymphknoten und ziehen dann erst weiter (das ist bspw. typisch für Gesäugetumoren), andere Tumore streuen lieber direkt in Lunge (so wie das maligne Melanom im Maulbereich) und andere gehen sofort in Milz und Leber (wie das Prostatakarzinom) und wieder andere streuen in die Wirbelkörper (wie das multiple Myelom). Wieder andere Tumore bleiben einfach dort sitzen und wachsen wo sie sind ohne jemals zu streuen (wie das orale Plattenepithelkarzinom der Katze oder das Fibrosarkom).

Ihr seht – verschiedene Tumore haben verschiedene Vorlieben und Verhaltensweisen. Deswegen ist es so immens wichtig zu wissen womit wir es zu tun haben – bevor! Wir zum Skalpell greifen und blind drauf los schneiden. Spätestens aber nach der OP gehört jeder Tumor eingeschickt zur Beurteilung bei spezialisierten Tierpathologen.

Nachdem wir das also alles wissen, können wir die optimale Therapie überlegen. Das Ziel hierbei sollte möglichst eine Heilung sein. Natürlich kann man auch palliativ Tumore verkleinern, um die restliche Lebenszeit zu verbessern und schmerzfrei zu gestalten, doch sollte das immer genau abgewogen werden, ob das im Sinne des Tieres ist oder eben nicht.

 

Es gibt verschiedene Therapieoptionen, die auf verschiedene Tumore unterschiedlich gut wirken. Im Folgenden möchte ich eine kleine Übersicht , über die häufigsten Tumore und Therapieformen geben:

 

  1. Die chirurgische Entfernung:

Bei den allermeisten Tumoren ist die chirurgische Entfernung (oder auch wegschneiden genannt ^^) die beste und langfristigste Therapie.

Jedoch muss bedacht werden, dass ein einfaches Wegschneiden oft nicht ausreichend ist, denn es muss ein Sicherheitsabstand gewahrt werden, denn Tumorzellen sitzen auch am Rand und je nach Tumorart, ist dieser Sicherheitsabstand unterschiedlich groß. So reicht beim Mastzelltumor oft ein Rand von 1-2 cm, wohingegen das Fibrosarkom einen Sicherheitsabstand von 5 cm braucht. Ein bösartiger Knochentumor – das Osteosarkom – geht da sogar noch weiter! Wer nicht bereit ist die gesamte betroffene Gliedmaße zu amputieren, sollte von einer chirurgischen Versorgung ganz absehen, denn der Tumor ist so aggressiv, dass er bei einer weniger radikalen Vorgehensweise direkt wiederkommen würde.

Es ist also kein Zufall wenn Tumore ‚wiederkommen’ – meist wurde einfach nicht radikal genug vorgegangen, was die Prognose deutlich verschlechtert und den Eindruck erweckt, man könne ja eh nicht mehr machen.

Das Fatale an der Geschichte: der erste chirurgische Eingriff hat immer die besten Chancen! Ein Grund mehr nicht blind draufloszuschneiden, sondern vorher genau zu wissen, mit wem man es zu tun hat!

 

  1. Die Chemotherapie:

Und ja ich höre es jetzt schon: ‚Chemo beim Hund! Geht gar nicht!’

Viele haben Bilder von haarlosen Menschen im Kopf, denen es im wahrsten Sinne hundeelend geht, die ständig erbrechen müssen und deren Lebensqualität gen Null geht. Und ja, so ein Bild ist für unsere Tiere auch für mich unvorstellbar! Denn sie wissen nicht warum es ihnen so schlecht geht. Sie können nicht in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft durchhalten und sich zwingen was zu essen, wenn sie doch gar nicht wollen! Und so funktioniert es bei Hunden und Katzen auch nicht! Bei der Chemotherapie bei Hunden und Katzen fällt das Fell (im Normalfall) nicht aus, sie können normal weiterleben und gegen Übelkeit und andere Nebenwirkungen gibt es viele Medikamente, die diese abschwächen. Natürlich gibt es Nebenwirkungen. Die möchte ich auch gar nicht schön reden. Aber so schlimm wie es in den Köpfen vieler Menschen aussieht, weil sie es halt nur vom Menschen kennen, ist es nicht.

Ganz besonders erwähnen möchte ich zwei Tumore, die dank Chemotherapie eine sehr gute Prognose haben!

 

Zum einen der Mastzelltumor.

Dank den Wirkstoffen Mastinib und Toceranib haben wir ein Medikament, was ohne viele Nebenwirkungen, das Wachstum von Mastzelltumoren hemmen kann. Eine Einschränkung gibt es: der Tumor sollte das sogenannte c-kit expremieren. Dies wiederum (ihr ahnt es schon) weiß man nur, wenn man den Tumor in Speziallaboren gut untersuchen lässt.

Zum Anderen: das T-Zell-Lymphom.

Das Lymphom ist ein Tumor der weißen Blutzellen, die (meist, aber nicht immer) bewirken dass die Lymphknoten unnatürlich groß werden. Der Tumor ist nicht auf eine Stelle im Körper begrenzt, da die weißen Blutzellen im gesamten Körper zirkulieren und dadurch nicht an einen Ort begrenzt werden.

Durch eine optimale Chemotherapie besteht eine mittlere Überlebenszeit von 1-2 Jahren! (Und das ist sehr gut wenn man bedenkt, dass eine Nieren- oder Herzerkrankung dieselbe Überlebenszeit hat)

Oftmals wird bei diesem Tumor alleinig Kortison gegeben. Das hilft erstmal, da Kortison das Immunsystem unterdrückt und damit auch die weißen Blutzellen. Aber! Die Überlebenszeit bei alleiniger Kortisontherapie beträgt nur einen Monat! Und einmal angefangen, haben darauffolgende andere Therapien auch eine schlechtere Prognose. Also auch hier: eine genaue Aufklärung ist wichtig, damit die verschiedenen Therapieoptionen durchdacht werden können.

 

2.a) Die metronomische Chemotherapie

Was neuerdings auch bei vielen Tumorpatienten sehr gut anschlägt ist die metronomische Chemotherapie. Bei dieser neuen Art Anwendung von Chemotherapeutika geht es darum die ‚gewöhnlichen’ Chemotherapeutika in einer stark verringerten Dosierung zu verabreichen, um die Nebenwirkungen möglichst komplett zu eleminieren, während Das Tumorwachstum aber doch noch unterdrückt wird. Dieses Verfahren kann bei vielen verschiedenen Tumoren angewandt werden und zeigt tolle Ergebnisse ohne die Lebensqualität zu beeinflussen.

 

  1. Die Strahlentherapie:

Leider sprechen einige Tumore nicht auf Chemo an und sind auch nicht operabel. Dann kann eine gezielte Bestrahlung helfen die Tumorgröße zu reduzieren und das Tumorwachstum zu hemmen.

 

  1. Wachstumshemmung durch Entzündungshemmer:

Auch die Verabreichung eines einfachen Entzündungshemmers kann das Tumorwachstum verlangsamen. So bewirken viele Entzündungshemmer eine Reduzierung der Neubildung von Blutgefäßen, wodurch der Tumor weniger Nährstoffe bekommt und dadurch nicht mehr so schnell wachsen kann. Ein positiver Nebeneffekt dabei ist die gute Schmerzhemmung und die Bekämpfung von Entzündungen, die um den Tumor herum das Gewebe weiter schädigen.

 

  1. Palliativtherapie:

Auch wenn man sich gegen eine weitere Therapie entscheidet (wie gesagt, die Entscheidung ob und was gemacht wird, liegt immer im persönlichen Ermessen und sollte mit dem betreuenden Tierarzt ausführlich besprochen werden), so sollte doch kein Tier alleine mit Schmerzen gelassen werden. Eine gute palliative Therapie (hierzu gehört eine gute Futterberatung, Schmerzmittel, Appetitanreger, u.v.m.) hilft den letzten Lebensabschnitt schmerzfrei und bei guter Lebensqualität zu begleiten.

 

Und was wir immer bedenken sollten: Die Tiere wissen nicht, dass sie Krebs haben! Sie können ihr Leben weiterhin sorgenfrei genießen, ohne Zukunftsängste und sollten weiterhin ihren gewohnten Alltag genießen dürfen. So lange wie es eben geht. Und wenn es nicht mehr geht, sollte man auch da genau mit dem Tierarzt sprechen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist und wann das Leben aufhört und das Leiden beginnt.

 

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